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Das Salz des Alters

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Prolog

Im Alter sieht mensch häufig weniger gut, hört weniger gut, riecht weniger gut, schmeckt weniger gut.

Deshalb gerät mensch leicht in die Versuchung, nachzusalzen.
Dies ganz buchstäblich auf dem Teller, aber auch über dessen Rand hinaus kann der Sinn nach stärkeren, intensiveren Erlebnissen jenseits der „Alltagskost“ stehen.
Dies führt bisweilen zu spontanen und prima vista überraschenden Entscheidungen und Handlungen, verblüfft nicht selten das staunende Publikum.
Auf diese Weise kondensierte am 3. März 2025 eine Schnapsidee zu ersten „Handlungstropfen“, der imaginäre Salzstreuer wurde geschwungen, erste Entscheidungen getroffen, ein Kauf getätigt: Ein Einmannzelt (der Hersteller gendert noch nicht 😉 ).
Aha. Warum ein Zelt?
Und wieso Salz – nicht Pfeffer, Ketchup oder Curry?
Tja, die Erklärung lautet: „Salzpfad“.
Kein Begriff? Salzpfad oder genauer Saltpath heißt in Großbritannien ein Küstenweg im Südwesten der Insel.
Die offizielle Bezeichnung lautet „South West Coast Path“. Er verläuft über 630 Meilen / 1014 Kilometer – längster Wanderweg Großbritanniens – von Minehead bis nach Poole immer strikt an der Küste entlang und wurde angelegt als Dienstweg für Zöllner. Sie sollten in jede der unzähligen Buchten dieser Küste hinuntersehen können, um den allgegenwärtigen Schmuggel wenigstens halbwegs unter Kontrolle zu halten.
Einmal angelegt, wurde der Pfad dann auch zum Transport von Salz genutzt und erhielt so seinen volkstümlichen Namen.
Was läge also näher, als den beschaulichen Ruhestand durch eine Wanderung auf ebendiesem Weg „nachzusalzen“ ?
Oh, da gibt es durchaus einiges, was näher läge als 1000 Kilometer steilen Küstenwegs mit Höhenmetern in der Größenordnung von vier mal Mount Everest!
Aber wie das mit Schnapsideen nun mal so ist – sie zeichnen sich selten durch nüchterne Betrachtung der Dinge aus und enden deshalb gelegentlich auch mit einem Kater.
Und um das Schnapsglas randvoll zu machen – sich gewissermaßen einen Doppelten zu genehmigen – soll dieser kleine Spaziergang auch noch im „Back-packing-Modus“ absolviert werden: Keine Einkehr in festen Häusern mit weichen Betten und heißen Duschen, Frühstück und sicherem Dach über dem Kopf, nein, die Unterkunft für geschätzte zwei Monate reist im Rucksack mit und besteht aus dem frisch erworbenen Einmannzelt – sieht auf den Bildern ganz klasse und easy to handle aus.
Außerdem ist der Autor campingerfahren – bei den Pfadfindern hatten wir Zelte und dann gabs auch noch diesen Urlaub in Frankreich vor ??? Jahren, da war auch ein Zelt dabei.
Wie man sieht: Schnaps bleibt Schnaps und es ist abzuwarten, wie diese Angelegenheit weitergeht und wo sie endet.
(Um aber nicht gleich als vollends durchgeknallter Opa abgestempelt zu werden sei an dieser Stelle nicht verschwiegen, dass auf meinem Wanderstab schon einige Weitwanderwege eingekerbt sind, darunter auch namhafte Strecken wie ein Jakobsweg und der West-Highland-Way [die allerdings immer mit Bett, Dusche und Dach 😉 ]). Und das ist auch schon ein paar Tage her …

„Aber jetzt mal ehrlich, solche abenteuerlichen Ideen fallen doch nicht vom Himmel!“
Nein, fallen sie nicht. Zu so einem Unfug wird man angestiftet – na gut: ,angeregt‘ .
Meine Anregerinnen – was für ein Wort – (oder muss es korrekt ,Anregende‘ heißen?) jedenfalls die Personen, die mich wieder angefixt haben, sind zwei Freundinnen. Unlängst haben sie mir eröffnet, dass sie im nächsten Mai den Camino Portuguès „machen“ wollen, den portugiesischen Jakobsweg, der eigentlich von Lissabon, meist aber von Porto nach Santiago gegangen wird.
Nun ist es aber so, dass das eigentlich mein Plan war! Nachdem ich 2016 den Camino de la Costa, den nördlichen Jakobsweg, gepilgert war, sollte der Camino Portuguès im nächsten Jahr folgen. Einen entsprechenden Reiseführer hatte mir die beste aller Ehefrauen schon kurz nach meiner Wiederkehr aus Santiago geschenkt.
Hat dann aber aus verschiedenen Gründen nicht sollen sein und so verstaubte der schöne Reiseführer über die Jahre im Regal. Bis jetzt – nun habe ich ihn den Mädels geliehen und er kommt doch noch „in de Wert“, wie meine Großmutter zu sagen pflegte.
Hat mir aber dann keine Ruhe gelassen und ich habe eine nicht unbekannte Suchmaschine nach „Camino Portuguès“ befragt. Nicht völlig unerwartet wurden daraufhin eine Reihe von Videos auf einer ebenfalls nicht unbekannten Plattform angezeigt. Schnell war ich wieder „im Thema“ und einige Klicks weiter schon über den Ärmelkanal. So habe ich digital mühelos eine Reihe von Menschen auf ihren Wanderungen begleitet und dabei fühlten sich die heimischen Filzpantoffeln zusehends zu warm, zu weich, zu „filzig“ an.
Auf diesen „Maus-Reisen“ kam ich auch am SWCP (South West Coast Path) vorbei, der mich als Nebendarsteller eines Romans vor Jahren schon einmal zum Nachdenken gebracht hatte.
Dies bemerkend griff die beste aller Ehefrauen ihrerseits zur Maus und mit neumodischer Geschwindigkeit polterte kurz darauf Doris Hollbuchners „Immer links vom Meer“ in den Briefkasten.
Dies ein sehr persönlicher, liebenswert-selbstironischer Bericht über ihren „Thru-hike“, die komplette Erwanderung des SWCP in einem Rutsch.
Das wars dann. Mit dem Dornröschenschlaf meines Rucksacks im Keller. Der steht jetzt – Monate zu früh – im Wohnzimmer und das gesamte, nicht unbeträchtliche Wanderequipment rundherum verteilt. Fehlt nur noch das Einmannzelt, dann könnts losgehen.
Die geschätzte Leserin, der geschätzte Leser erkennen, wieviel – wie sagt man neuerdings – Disruptionspotential in solchen Rentnerspinnereien steckt!
In echt warten wir jetzt erstmal die Ankunft des Zeltes ab. Dann kriegen wir raus, ob es sich ebenso leicht auf- und abbauen lässt wie im Produktvideo. Und dann machen wir irgendwann, wenn die Temperaturen stimmen, einen Test unter Realbedingungen. Und dann versuchen wir in diesem Sommer mal, für 1 Woche unter Back-packing-Bedingungen zu überleben. Und dann denken wir nochmal über den SWCP nach …

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