16. Mai 2025 Tag 18 Morwenstow – Bude
Am nächsten Morgen komme ich mit meinem Zeltnachbarn ins Gespräch. Letztens war er schon deutlich vor mir unterwegs, heute hat er ein Frühstück im Gasthof bestellt und das gibt es nicht vor 8:00 Uhr. Er erweist sich als netter Londoner, der eine Woche auf dem Pfad gewandert ist. Morgen wird er vom Ziel der heutigen Etappe aus wieder nach Hause fahren. Wir tauschen uns ein wenig über unsere Wandererfahrungen aus. Dann packe ich meinen Kram und verabschiede mich von ihm und Bush Inn. Auf zu des Spaziergangs zweitem Teil!
Zurück auf dem SWCP kommt nach kurzer Zeit ein Hinweisschild in Sicht: HAWKERS HUT.
Ich habe darüber im Reiseführer gelesen: Robert Stephen Hawker war von 1834 bis zu seinem Tod im Jahr 1875 Vicar der Gemeinde Morwenstow. Er hat diese kleine Hütte aus Treibholz unterhalb des Cliffrandes gebaut. Dort soll er häufig gesessen, Morphium geraucht und geschriftstellert haben. Offenbar eine einigermaßen exzentrische Figur in bordeauxrotem Gehrock, blauem Pullover, gelbem Poncho und hohen Fischerstiefeln soll er seine Katze wegen mausens am Sonntag exkommuniziert und ein Schwein als Haustier gehabt haben. Seine Werke jedenfalls scheinen dem damaligen Publikum nicht unbekannt gewesen zu sein.
Als Hawker nach Morwenstow kam, hatte es dort seit über 100 Jahren keinen Priester mehr gegeben. Schmuggler und Strandräuber bevölkerten die Gegend und die Strandräuber vor Ort waren berüchtigt dafür, Schiffbrüchigen beim Ertrinken zuzuschauen ohne eine Hand zu ihrer Rettung zu rühren. Hawker hat dann zumindest für christliche Begräbnisse der Ertrunkenen gesorgt, die zuvor häufig am Strand verscharrt oder der See überlassen wurden. Außerdem hat der Vicar sich zunehmend für die Rettung von Männern in Seenot engagiert und nach und nach die schlimmsten Auswüchse der Strandräuberei unterbunden. Dann wollen wir ihm seine Pfeifchen in der Hütte auch nicht verübeln.
Nach diesem kurzen Ausflug in die örtliche Geschichte geht es zurück in die raue Wirklichkeit: Vier von neun Tälern und Höhen sind noch zu bewältigen und sie stehen ihren Vorgängern in nichts nach, weder in den atemberaubenden Ausblicken noch in den teils furchterregenden Auf- und Abstiegen.
Das Barometer – nur der Form halber – unverändert bei „Hoch“ festgenagelt. Weiterhin optimale Bedingungen also, schwere Last über viele Stufen und steile Anstiege zu wuchten.
Nicht lange und am Horizont tauchen ungewöhnliche Silhouetten auf. Beim Näherkommen erkenne ich: Große Weltraumteleskope und weiße Radarballons sind dort auf einem weitläufigen Gelände nahe den Klippen verteilt. „Das große Ohr“ kommt mir spontan in den Sinn, auf was es wohl lauscht?
Als ich die Anlage dann endlich passiert habe ist es auch tatsächlich nicht mehr sehr weit bis zum Tagesziel Bude. Irgendwann ein letzter Abstieg und dann ich stehe am Strand, der sommerlich-bunt von Strandhäuschen in allen Farben gesäumt ist.
Ein Stückchen weiter eine nette location – „life is a wave“ – wo ich ein örtlich bedingt überteuertes Ankommensbier erstehe. Beim Genießen desselben der übliche check auf campsites: Ja, garnicht weit vom Ortszentrum werde ich fündig – sehr schön!
Zwanzig Minuten bin ich dann noch unterwegs bis zum Campingplatz mit einem schönem Pub plus großem Biergarten um die Ecke – vielversprechende Aussichten. Der Platz selbst erweist sich dann als eher enttäuschend: Es gibt den Minimalstandard von heißen Duschen, Toiletten und Geschirrspülmöglichkeiten in Einfachstausführung, aber schon bei der Elektrizität hört es auf. Strom gibt es nicht, Aufladen von elektronischen Reisebegleitern nur für die Glücklichen mit eigener Powerbank – so sie denn noch Power enthält. Dazu zählt in diesem Fall der Ruheständler: Trotz des nicht unerheblichen Gewichts hat er ein Modell mit Solarzellen mit auf den Weg genommen, was sich jetzt – nicht zum ersten Mal – auszahlt.
Als das Zelt dann aufgebaut ist, steht nach Wäsche- und Körperpflege noch der Einkauf an. Mittlerweile ist es schon halb acht und der digital gefundene COOP schließt um 8, ergo kommen wir jetzt ein wenig in Wallung.
Bude ist ein nicht sehr großes, im Zentrum ganz nettes Städtchen mit einigen urigen Pubs und den üblichen kleinen Geschäften und Restaurants. Es ist Freitagabend und das britische Wochenende startet gerade durch. Die Kneipen mit ihren Biergärten sind gut besucht und die Jugend der Stadt zeigt an den üblichen Plätzen das übliche Balz- und Imponiergehabe.
Zum COOP ist es nicht weit und die gewohnten Versorgungskomponenten wandern in den Einkaufskorb: Bananen als schnell wirkende und nicht belastende Kraftspender, Babybel und Bifis sind Zwischenmahlzeiten, Sandwiches und Instant-Kaffe+Milch-Tütchen (Frühstück), pasties (Abendbrot) und – der Pubbesuch heute wurde gecancelt – ein 4er-Pack Bier. Das alles wird dann in entspannterer Gangart zurück zum Campingplatz getragen und kommt dort z.T. gleich zum Einsatz. Dann fordert die Anstrengung der zurückliegenden beiden Tage ihren Tribut und es wird eine frühe Nachtruhe ausgerufen.


















