1. Mai 2025 Tag 3 Waldcamp – Lynmouth

Der Weg führt weiter durch Waldgebiet, es wird schnell wieder warm und meine Wasservorräte – nicht für zwei Tage gedacht – schwinden bedenklich. Dann lichtet sich das Gelände endlich und der Pfad läuft bald wieder schmal und hoch an der Küste entlang. Herrliche Blicke aufs Meer, aber zelten hätte man hier auch nicht können.

Die Zunge klebt mir mittlerweile am Gaumen, weil ich meinen Wasserverbrauch drastisch einteilen muss und trotzdem – wird es reichen?

Mit diesen Gedanken biege ich um eine weitere Kehre – und erblicke ein Wunder!

Dort in einer weitgezogenen Kurve stehen ein Campingtisch und zwei Stühle, auf dem Tisch eine große Kühlbox. Ich kenne dieses Bild aus den zahlreichen Videos über den SWCP. Es handelt sich um eine sog. Honesty-Box. So etwas wird von Anliegern mit einem Herzen für Wanderer an den Wegrand gestellt und mit überlebenswichtigen Artikeln befüllt. Da finden sich Wasser, Erfrischungsgetränke, Süßigkeiten, Bananen und Energieriegel. Das ganze funktioniert auf Vertrauensbasis: Der Entnehmer legt soviel Geld in die beiliegende Gelddose wie er für angemessen hält. Ich bin völlig aus dem Häuschen, trinke zwei eiskalte FANTA hintereinander – nie hat mir in den letzten Monaten ein Getränk besser geschmeckt – und esse dazu zwei Bananen, meine bevorzugten „Kraftriegel“ beim Wandern. Dann nehme ich noch einen Vorrat mit, zahle großzügig in die Dose und mache mich körperlich und moralisch gestärkt auf den weiteren Weg.

Auf dem treffe ich kurz darauf wieder Julie und Ian. Großes „Hallo“ und die nicht ganz so willkommene Information, dass es gleich noch mal steil wird bevor man dann relativ easy nach Lynmouth absteigen könne. Genau so kommt es auch, aber mit Hilfe der Kraftnahrung und ausreichend Flüssigkeit ist der Aufstieg zu bewältigen, wenn auch, wie immer mit diesem Monsterrucksack auf dem Rücken, gaaanz langsam. Das letzte Stück des Weges führt noch einmal steil, schmal und geröllig hinunter in die Stadt.

Dann ist man da, im Hafen von Lynmouth, und diese Etappe endet hier.

Ich muss aber noch nach Lynton hoch, oben auf dem Hügel gelegen, dort ist ein Campingplatz.

Erfreulicherweise haben britische Ingenieure 1887 zwischen den beiden Orten die Cliff Railway hingebaut, eine Wasserlastbahn. Deren beide Kabinen bewegen sich gegenläufig schräg am Berg hoch und runter und erleichtern so den Personenverkehr zwischen Lynmouth und Lynton ungemein. Und für müde Wanderer noch umgemeiner. Im Nu bin ich oben und muss dann noch mal 20 Minuten tapern bis ich endgültig angekommen bin. Der Platz liegt schön, die Lady an der Rezeption ist sehr nett und kaltes Bier kann man(n) auch kaufen!

Ausserdem gibt es 100 m entfernt ein Pub, das sich zum Thai-Restaurant gemausert hat und sehr empfohlen wird. Dort geht es dann nach Zeltaufbau und ausgiebigem Duschen hin; die Empfehlung kann bestätigt werden.

So findet dieser Tag nach aller Mühsal doch noch ein entspanntes Ende.

Davor aber wird spontan beschlossen, auf diesem schönen Fleckchen einen Ruhetag einzulegen und sich vom leicht holprigen Anfang des Unternehmens zu erholen.

–> 2. Mai