13. Mai 2025 Tag 15 Clovelly – Haratland Quay

Er kommt um 8 und ich stehe bereit mit meinem Sisyphus-Buckel. In fünf Minuten sind wir unten an einem Coastpath-Wegweiser, deren Entfernungsangaben i.d.R. mit Vorsicht zu genießen sind. Ich bedanke mich artig, häng mir den Rucksack um und weiter geht’s.

Erstmal ganz moderat wieder einmal durch eine klassisch-englische Parklandschaft.

Bevor es aber langweilig werden kann, begeben wir uns hinunter auf Meereshöhe, um diese postwendend auf einem steilen Zickzackpfad nach oben wieder zu verlassen.

Nach 2 ½ Rollercoaster-Abschnitten bleibt der Pfad dann aber auf der Höhe und verläuft eine beträchtliche Strecke über Weiden und durch etliche kissing-gates am Rand der Cliffs entlang. Das gefällt dem Wanderer.

Irgendwann kommt die weiße Kugel einer Radaranlage in Sicht, das ist Hartland Point, da steht auf der Meerseite ein Leuchtturm und von dort ist es nicht mehr weit bis Hartland Quay, dem heutigen Tagesziel. Ausserdem wird von einem Tea-Room erzählt, der ebenda erschöpften Wanderern Labsal in verschiedensten kulinarischen Formen bieten soll. Wenn er denn hoffentlich geöffnet ist.

Es dauert noch eine Weile, bis die Radaranlage umrundet ist und ein erster Blick nach unten möglich. Hallelujah, der Tea-Room ist offen und die Schritte des Ruheständlers beschleunigen sich wie von selbst.

Vor Ort gibt es dann ein fettes Stück Torte, dazu Cola und für den Abend eine pasty. Dann ist es ja bald geschafft! In diese Zuckereuphorie hinein verkünden zwei Frauen am Nebentisch, dass nach ihren Informationen die jetzt noch anstehenden 4 Kilometer die schlimmsten der ganzen Etappe sein sollen. Ja vielen Dank!

Aber hilft ja nix, schlimm hin, schlimm her, ich muss dahin. Also wacker wieder aufgeschnallt und ab dafür. Zunächst zeigt sich der Pfad jedoch durchaus moderat. Bisschen rauf, bisschen runter, sollten die Mädels mich veräppelt haben?

Nein, haben sie nicht. Unverhofft stehe ich vor einem steilen Abstieg mit Blick auf einen hundertund…stufigen Wiederaufstieg – nice to meet you! Das wiederholt sich noch zweimal, wobei in der Mitte tatsächlich hoch über dem Meer ca. anderthalb Meter Felswand zu überwinden sind, bevor wieder ein Pfad erkennbar wird. Zum ersten Mal auf diesem Weg wird mir ein bisschen mulmig, aber ich kriege es hin ohne abzustürzen und mühe mich auf dem weiterhin steil-schmalen Pfad bis zum Gipfelpunkt. Den Abschluß bildet dann ein langgezogener steiler grasiger Hügel, an dessen Fuß ich mir erstmal eine Pause und eine Banane gönne.

Als dann all diese Schikanen überwunden sind führt der Weg langsam wieder hinunter zum Meer und ich warte zunehmend ungeduldig, dass die Häuser von Hartland Quay in Sicht kommen.

Tun sie aber nicht. Denn Hartland Quay ist, wie der Name ja eigentlich auch sagt, ein Kai. Ein Kai, an dem es einen Pub mit Außenbereich gibt – und sonst nichts!

Weiß der Henker, was mich zu der Annahme verleitet hat, es handele sich um einen Ort, mit Geschäften und Unterkunftsmöglichkeiten.

Als ich einigermassen belämmert langsam durch den gut besuchten Biergarten schleiche, sehe ich die beiden Mädels vom Tea-Room wieder, die natürlich wesentlich schneller die Etappe beendet haben. Es gibt ein „Hallo, komm, setz Dich her.“ Und das mache ich dann auch. Und besorge mir ein Pint, der Rest wird sich schon finden.

Und das tut er auch. Als ich beim Holen des zweiten Bieres den Wirt nach Campingmöglichkeiten frage, lösen sich meine Probleme schlagartig in Luft auf. „Camping? Ja klar, eine Meile die Straße hoch, direkt gegenüber der Kirche, können Sie garnicht verfehlen!“

Da schmeckt das Bier gleich doppelt so gut und wir hocken noch eine Weile zusammen mit zwei Belgiern, die auch den Pfad wandern und sich für die Nacht im Pub einquartiert haben.

Dann werden die Mädels abgeholt. Sie haben eine Unterkunft im Landesinneren gebucht mit Hol- und Bringeservice und ich mache mich dann auch auf das letzte Stück des heutigen Weges.

Der ist nicht zu verfehlen, die Kirche weithin sichtbar und nur eine einzige Straße führt Richtung Stoke Barton, wie sich der Ort mit dem Campingplatz nennt.

Es handelt sich wieder mal um eine Farmcampsite. Der Bauer ist grad nicht da, es hängt ein Zettel aus, man solle sich schonmal ausbreiten, er käm irgendwann. Es gibt einen Plan zur Orientierung und so ist der Zeltplatz schnell ausgemacht und das Zelt ähnlich schnell aufgestellt.

Duschen, waschen – das übliche. Essen und Trinken ist ausreichend im Vorrat und so findet das Abendessen in einem großen, gemütlich eingerichteten Gemeinschaftsraum statt, der auch eine Kühltruhe und Möglichkeiten zum Aufladen der Elektronik bereitstellt. Ich bin der Einzige in dem Laden, auch insgesamt sehe ich um diese Jahreszeit nicht viele Urlauber/Touristen. Mir solls recht sein.

Da die als nächstes anstehende Etappe als die schwierigste des gesamten SWCP gilt, werde ich sie erstens teilen und mir zweitens vor Antritt einen Ruhetag gönnen. Das heißt, ich werde den morgigen Tag hier verbringen, mich in das 2,5 Kilometer entfernte Dorf Hartland begeben, dort einkaufen und ansonsten Füße und Seele baumeln lassen.

Aber erstmal geht’s jetzt entspannt ins Bett resp. den Schlafsack und morgen früh ist ausschlafen angesagt!

–> 14. Mai