27. April 2025

So, der Countdown ist durch: Aus Tagen wurden am Ende Stunden, dann Minuten und jetzt steht der vom Ruheständler zum Reisenden mutierte mit dem angetrauten Eheweibe und einem beeindruckenden Rucksack am ZOB in Düsseldorf und hält Aussschau nach dem richtigen grünen Bus. Der zeigt sich nach kurzer Zeit und die bekannte polyglotte Mischung der preiswert Fernreisenden drängt sich an die große Ladeklappe und verstaut ihr Gepäck im großen Bauch des Busses.

Zügig treibt der Fahrer dann seine Herde ins Gefährt, kaum bleibt Zeit, die Gattin angemessen abschiedzuküssen.

Gut besetzt ist die grüne Kutsche, trotzdem bleibt neben dem Ruheständler ein freier Platz und macht das Reisen dann gleich ein wenig angenehmer. Das von Flixbus vollmundig versprochene W-LAN im Bus gibt’s nicht und so kann gleich ein wenig digital detox geübt werden.

Das Wetter aber ist strahlend schön und so geht es durch die frühlingsgrüne niederrheinische Rübenpampa wenig spektakulär in Richtung des ersten Etappenziels, dem belgischen Brügge.

Da neben dem W-LAN auch die bordeigene Toilette außer Funktion ist gibt’s nach zwei Stunden eine klassische Pinkelpause. Insofern unterscheidet sich das Flixgerät heute nicht wesentlich von den Bussen unserer Schullandheimfahrten.

20:15
Zwischenstopp in Brüssel. Viele stehen auf und nehmen ihr Handgepäck aus den Ablagen – alle stehen auf und nehmen ihr Handgepäck aus den Ablagen und verlassen den Bus. Ich sitze da, Schuhe aus – hab ich was verpasst? Hastig streife ich die Wanderstiefel über, greife meinen Tagesrucksack und stürze den anderen hinterher. Draußen frage ich den Fahrer, warum wir den Bus verlassen müssen. Müsste ich nicht sagt er. Wo ich denn hin wolle. Nach London? Ja, dann soll ich mal wieder einsteigen, wir führen dann weiter.

Und so habe ich ungelogen einen ganzen Flixbus für mich alleine und radebreche während der Fahrt nach Brügge mit dem Fahrer auf französisch. Sachen gibt’s!

Ab Brügge wird’s erst mal entspannt. Auf dem von mir gebuchten Platz sitzt eine schwarze Dame mittleren Alters. Sie hat was mit den Füßen, deswegen tauschen wir die Plätze und ich sitze am Fenster. Im Verlauf der Fahrt wird sie mir einiges erzählen, sie lebt in den Niederlanden, ihre Tochter in London und diese besucht sie häufig. Vieles von dem, was sie mir berichtet, verstehe ich nicht, sie spricht ein sehr „afrikanisches“ Englisch.

Dieser Bus hat nun auch – Gott sei Dank – eine funktionierende Toilette und WLAN und die Fahrt geht entspannt weiter, bis  wir in Calais an die Grenze kommen. Dort hat sich der französische Zoll vorgenommen, unseren Bus zu filzen. D.h., alles raustreten mit sämtlichem Gepäck zu einem full-size-security-check. Allerdings ist nur eine Röntgenmaschine in Betrieb und so zieht sich die Geschichte hin. Als mein Handgepäck durchrutscht, piept es, der Zöllner kriegt wache Augen und seine Kollegin kontrolliert meinen kleinen Rucksack. In dem befindet sich – aufgrund der strengen Regelungen in England – ein winziges Messerchen, Klingenlänge maximal 5 cm. Dies, so erklärt mir die Zöllnerin, müsse sie jetzt konfiszieren.

Ich traue meinen Ohren nicht! Keine feststehende Klinge, ein winziges Teil, im Grunde ein Kinderspielzeug. Die Beamtin lässt sich weder durch meinen Unmut noch durch beißende Kommentare von ihrem Vorhaben abbringen, so seien nun einmal die Gesetze, da könne Sie nichts machen. Ich bekomme ein offizielles Formular über die „confiscation“ ausgestellt und weg ist mein Messerchen!

Ich habe später nachgelesen: Eigentlich gilt  in Frankreich Klingenlänge unter 15 cm und nicht feststehend. Aber offensichtlich ist das Gesetz dermaßen verschwurbelt formuliert, dass jeder Flic nach Gusto entscheiden kann.

Ich bin jedenfalls schwer bedient. Dabei geht es gar nicht um das Messerchen, das war eher als „Köder“ in den kleinen Rucksack gepackt worden. Mein richtiges Schweizer Taschenmesser mit allen notwendigen Werkzeugen ist in den Tiefen meines großen Rucksacks versteckt, wohl verwahrt im Kochtopf neben dem Brenner und so offensichtlich gegen Röntgenerkennung geschützt. Aber diese undifferenziert ausufernde staatliche Anmaßung stört mich, da muss man sich über zunehmende Politikverdrossenheit nicht wundern.

Erfreulicherweise wird trotz dieser ganzen Prozedur die Fähre nicht versäumt und dann sind erst mal 2 Stunden Entspannung an Bord angesagt.

Die Entspannung endet schlagartig, als die englischen Zöllner in Dover hirnverbrannterweise auf die gleiche Idee kommen wie ihre französischen Kollegen: Alles aussteigen, mit sämtlichem Gepäck, Sicherheitscheck! Was wir wohl auf der Fähre an Waffen, Drogen oder harter Pornografie alles erstanden haben sollen?

Wenigstens durchleuchten sie hier nur das Gepäck und gehen den Leuten nicht an die Wäsche.

Die Fahrt nach London verläuft dann ohne weitere Störungen. Die meisten schlafen ein bisschen und auch ich werde erst kurz vor Victoria Station wieder wach. Dort leert sich der Bus schnell.

 

Victoria Coach Station kenne ich, 2017 mit dem Bus nach Schottland war ich schon mal hier. Die Wartezeit für den Bus nach Taunton ist nicht lange. Anscheinend hat man meinen Sitz aber zweimal vergeben und so werde ich vorne hinter dem Fahrer plaziert – Panoramablick.

Die Fahrt führt recht unspektakulär vorwiegend über Autobahnen, zuerst nach Bristol und später gen Süden.

Dann ist Taunton erreicht und ich werde ohne große Umstände am Stadtrand an einer Tankstelle abgeladen. Eine erste Orientierung ergibt, dass der kommunale Busbahnhof um einiges entfernt liegt, 45 Minuten fußläufig. Das funktioniert nicht, dann verpasse ich den vorgesehenen Anschlussbus. Also fange ich diese Wanderung schon gut an und bestelle mir ein Taxi.

Dieser letzte Bus ist dann echt der Hammer: Er ist schon über die Hälfte voll, als ich einsteige. Die übliche  Ladebucht ist von einem Kinderwagen und einem großen Trolley plus mehreren Taschen belegt. Großes Schild darüber: Wenn Behinderte kommen, muss die  Ladebucht geräumt werden. An der nächsten Haltestelle: Ein Behinderter in einem Riesenrollstuhl, elektrisch. Ergo muss umständlich die Ladebucht freigeräumt werden, damit der Mann da rein kann. Ihm folgt ein zweites Kinderwagengespann mit einem weiteren Trolley und Einkaufstüten. Kurzum: Am Ende befinden sich im Bus drei Kinderwagen plus zugehöriger mitteilungsbedürftiger Kleinkinder, ein Riesenrollstuhl, zahlreiche Trolleys und Einkaufstüten, Rucksäcke und es ist das totale Tohuwabohou. Wenn jemand aussteigen will, muss er oder sie sich mühsam über den ganzen Kram kämpfen und sich an den Leuten vorbei quetschen. Was mich dann wirklich beeindruckt, das ist die stoische Ruhe und Unaufgeregtheit, mit der alle mit dieser Situation umgehen. Bei uns wäre in diesem Bus schon längst Blut geflossen.

Dann bin ich endgültig da, in Minehead. Quasi als Einstimmung geht es von der Haltestelle zum Hotel dann gleich ein wenig bergauf. Es ist eins der klassischen, altmodischen britischen Hotels, wie man sie in den Seestädtchen häufig findet. Schon etwas in die Jahre gekommen, der Zahn der Zeit hat seine Spuren hinterlassen – egal, für eine Nacht völlig in Ordnung.

Nach dem Einchecken und Auspacken dreh ich noch eine Runde durch das Städtchen, genehmige mir ein  und dann die letzte Nachtruhe in einem Bett für unabsehbare Zeit.

–> 29. April